Luxemburger Wort, den 11. November 2019: De Leitartikel vum Michèle Gantenbein

Der Elefant im Raum

Bildungsminister Claude Meisch hat in einem atemberaubenden Tempo das Luxemburger Bildungssystem reformiert, sehr wahrscheinlich mit dem Ziel, es zu verbessern. Und was ist jetzt? „Kaum jemand will noch den Lehrerberuf ergreifen, weil Gewalt und Mobbing in den Schulen zunehmen. Und das nicht nur in Brennpunktschulen, sondern überall im Land. Es muss dringend gehandelt werden“, fordert die Lehrergewerkschaft SNE in einem Video auf ihrer Facebookseite. Dass kaum noch jemand den Beruf ergreifen will, stimmt so nicht. 2019 haben sich 338 Kandidaten bei der Uni eingeschrieben, doch nur 93 haben den Zulassungstest auf Anhieb geschafft. Richtig ist: Es brennt in vielen Schulen. Die Kinder können nicht still sitzen, haben Lern- und Konzentrationsstörungen, entwickeln keine Frustrationstoleranz, sind aufbrausend und gewalttätig, gegen Kinder und Erwachsene. Das sind Hilfeschreie malträtierter Kinderseelen.

Die Gewerkschaft fordert in dem Video die Schaffung einer schulinternen Taskforce mit Erziehern, Sozialarbeitern und Krankenpflegern. Eine schnelle Eingreiftruppe, die immer dann interveniert, wenn es in den Klassen drunter und drüber geht. Man kann den Hilferuf und die Sehnsucht der Lehrer nach einem geregelten Unterricht verstehen. Doch ein Mehr an Personal wird die Grundproblematik nicht lösen.

Immer mehr Kinder weisen Defizite und nicht altersadäquate Auffälligkeiten auf, weil sie nicht „gut“ aufwachsen. Doch die Politik verschließt die Augen vor dieser Entwicklung. Schlimmer noch: Sie unterstützt die Fehlentwicklung, indem sie die Bedürfnisse der Kinder wirtschaftlichen Überlegungen unterordnet. Die Politik versucht, die Kindheit so zu organisieren, dass die Kinder den Bedürfnissen der Erwachsenen nicht in die Quere kommen, statt sich zu fragen: Wie müssen wir unsere Gesellschaft organisieren, damit die Grundbedürfnisse der Kinder befriedigt werden, sie soziale Kompetenzen entwickeln, ihr Potenzial entfalten und zu starken Persönlichkeiten heranwachsen können?

Luxemburg gibt sich gerne kinderfreundlich. Das ist es nicht. Und es tut weh, mit anzusehen, wie immer wieder versucht wird, Probleme mit „noch mehr von dem, was nicht funktioniert“ zu lösen. Es ist schwer, nachzuvollziehen, dass die Art und Weise, wie unsere Gesellschaft mit Kindern umgeht, im privaten Kreis zwar mit großer Sorge wahrgenommen, nicht aber öffentlich thematisiert wird. Es ist irritierend, zu sehen, dass Lehrer und Erzieher, die das Leid vieler Kinder jeden Tag erleben, nicht zuletzt aus Angst vor Repressalien davor zurückschrecken, die Missstände öffentlich anzuprangern. Und es schmerzt, mit anzusehen, wie teure, aber kaum wirksame Reparaturpolitik betrieben wird, statt sich Gedanken über eine familienfreundliche Politik zu machen, in der die naturgegebenen Bedürfnisse der Kinder im Mittelpunkt stehen.

Der Elefant steht hörbar im Raum. Aber er muss benannt werden. Sonst geht es den Kindern wie dem Klima: Wir kommen erst in die Gänge, wenn es eigentlich schon zu spät ist. Die Chancen dafür stehen gut.

Michèle Gantenbein

11.11.2019

3 pensées sur “Der Elefant im Raum”

  1. Eis Kanner kommen einfach net méi zur Rou! D’Eltere si gehetzt, well se mussen zu zwee pünktlech op der Aarbecht sinn, an der Maison Relais ass permanent Action ugesot (déi Kanner musse jo beschäftegt ginn) an an der Schoul mussen si sech stonnelaang konzentréieren!! Kee Wonner, datt Kanner do opfälleg ginn!! Ech schaffe lo 30 Joer mat Kanner, awer subjektiv fillt et sech un, wéi wann et nach nie sou schlëmm war wéi elo!!😢

  2. Ech fannen di Polemik ëm d’Kanner Betreiung, di ausserhalb vun der Famille stattfënnt äusserst iwwerflächleg & unobjektiv. Et gi vill Strukturen di den Kanner en stimuléirend Ëmfeld bidden. Die Opfällegkeeten, di Kanner weisen, sinn op en onstabelt Elterenhaus zeréck ze féieren, op Elteren die iwwerfuerdert sinn. Als Elteren huet een Pflichten sengen Kanner géigeniwwer, et ass ustrengend no der Aarbecht sech nach mat hinnen sënnvoll ze beschäftigen. Die Elteren di dat net méi hinkréien, mussen wackereg ginn wann si gesinn dass hir Kanner leiden, an eppes ënnerhuelen!! Et ass einfach, der Politik d’Schold ze ginn amplaz bei sech unzefänken!

    1. Mir soen jo net, dass all Friembetreiung schlecht ass. Et sinn awer e puer Saachen, déi eis an där ganzer Diskussioun stéieren. Dat ass, z.B. dass gemaach gëtt, wéi wann ALL Kand vu Crèchen géif profitéieren. A wann ee genee kuckt, verdréit net all Kand d’Friembetreiung. An dann, wann d’Elteren laang am Stau stinn, well z.B. den Tram gebaut gëtt, wéi sollen se do nach Zäit fannen, mat hire Kanner, Owes, eppes zesummen ze maachen? Mir wëllen, dass d’Elteren de Choix sollen hunn an dass ALL Erzéiungsaarbecht unerkannt gëtt.

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